Eine ungarische NOHAB in Dänemark – Odense, 14–15. August 2004
 
In 2004 können die Liebhaber der NOHAB's gleich mehrere nennenswerte Jahrestage feiern. Vor 65 Jahren, im November 1939 begannen die Vorführfahrten der ersten Lokomotiven des Typs FT, den entfernten amerikanischen Urahnen der europäischen NOHAB's. Vor 50 Jahren, in 1954, wurden die Eisenbahnen in Europa zum Zeugen zweier wichtiger Ereignisse. Einerseits begab sich die Prototyplok des Exporttyps G12 von General Motors auf Probefahrten, nach denen sich z. B. die ÖBB für die Anschaffung von Diesellokomotiven mit GM-Motor entschied. Im gleichen Jahr wurde auch die erste von NOHAB gebaute Diesel-elektrische Lokomotive mit GM-Antriebsstrang bei der Dänischen Staatsbahn in Betrieb gesetzt: die MY1101.

Vor allem das Jubiläum der letzteren zwei Ereignisse wollte das Dänische Eisenbahnmuseum (Danmarks Jernbanemuseum) so feiern, wie es den weltweit berühmten GM-Lokomotiven angemessen ist: mit einem internationalen Loktreffen, an dem – neben Maschinen verschiedener Museumsvereine und Privatbahnen – die ursprünglichen Besteller der NOHAB-Rundnasen und ihren Lizenzbauten (insgesamt fünf Staatsbahnen) von je einer musealen Lokomotive vertreten wurden.

Zur Teilnahme einer ungarischen M61 hat das Museum unsere Stiftung gebeten, sich mit unserer Lokomotive, der ehemaligen M61-010 am Treffen zu beteiligen. Da die Maschine aber momentan weder betriebsfähig ist, noch ein gültiges Fahrerlaubnis besitzt, waren wir auch dazu bereit, den Besuch eines anderen Exemplares der Baureihe zu organisieren. Heutzutage ist die ehemalige M61-017 (jetzt 2761 017-9) einzig unter den verbliebenen ungarischen NOHAB's in dem technischen Zustand, der eine verantwortungsvolle Durchführung dieser langen Fahrt überhaupt ermöglicht, daher stand es zweifellos fest: die Teilnahme der ungarischen NOHAB werden wir in Zusammenarbeit mit dem Eigentümer der Lok, dem Direktorat für Fahrwege und Technische Anlagen (PMLI) der MÁV AG organisieren und abwickeln. Während der Vorbereitung der Reise hatten wir zahlreiche Hindernisse zu überwinden, wobei wir wesentliche Hilfe vom ehemaligen Generaldirektor des MÁV PMLI, Dr. Tibor Zsákai, vom gegenwärtigen Generaldirektor des MÁV PMLI, Dr. László Mosóczi, und vom Generaldirektor des Wirtschaftszweiges Maschinenbau der MÁV, Dr. József Csiba, erhalten haben – an dieser Stelle möchten wir uns noch einmal für diese unentbehrliche Unterstützung bedanken. Wir danken auch dem Abteilungsleiter für Traktion, Miklós Onódy, und den Lokführern Csaba Büki und Imre Korom, für ihre Teilnahme an der Abwicklung der Reise.

Zur Wahl der Trassenführung boten sich zwei grundlegende Alternativen an. Die billigere Variante wäre durch die Slowakei, Tschechien und Polen gegangen, wo die Lok aus eigener Kraft gefahren wäre, und einer anschließenden Strecke über Deutschland, die wir – da die Lok keine Indusi hat – mit einer Vorspannlok absolviert hätten. Die kürzere Fahrt über Österreich und Deutschland stellt aufgrund der hohen Trassengebühren und Überführungskosten eine wesentlich kostspieligere Alternative dar. Wir mußten uns schließlich doch für die letztere Version entscheiden, da bis zum Treffen in Odense nicht mehr genügend Zeit blieb, die langwierige Zulassungsprozedur für die Lok einzuleiten. Die Durchführung der viel teureren aber einzig möglichen Westeuropäischen Alternative wurde durch den Gastgeber der Veranstaltung (Danmarks Jernbanemuseum), und einem berühmten deutschen Freund der NOHABs, Herrn Klaus Korbacher finanziert – an dieser Stelle möchten wir den beiden Sponsoren noch einmal für ihre Opferbereitschaft danken! Auch den Begleitern der Museumslok von Luxemburg – besonders Herrn Marcel Barthel – sind wir dankbar, die unsere Lokomotive samt Begleitwagen zwischen Koblenz und der dänischen Grenzstation Tønder kostenlos befördert haben. In der Woche vor dem Treffen stand dann die endgültige Trassenführung fest: Budapest – Hegyeshalom – Wien – Salzburg – München – Augsburg – Koblenz – Köln – Osnabrück – Hamburg – Niebüll – Tønder – Bramming – Odense.

Der Sonderzug, bestehend aus der Lokomotive 2761 017-9 und einem Liegewagen für das Begleitpersonal fuhr am 10. August 2004 nach 21 Uhr aus Budapest-Józsefváros ab. Die Nacht verbrachten wir in Hegyeshalom, von wo aus die Reise am nächsten Morgen mit österreichischem Begleitpersonal über Salzburg bis zur deutschen Grenze fortgesetzt wurde. In Österreich fuhr die Lokomotive aus eigener Kraft, wozu die zuständige Behörde, ÖBB Netz, eine einmalige Sondergenehmigung erteilt hat.

Die deutschen Vorschriften sind wesentlich strenger; ohne die vorgeschriebene Indusi konnten wir uns in Deutschland nur mit Vorspann bewegen. Daher wurde die Beförderung des Sonderzuges ab Freilassing von einer Lokomotive der BBG Stauden (eine ehemalige 2143 der ÖBB) übernommen. Über München gelangten wir nach Augsburg, wo das Fahrzeug der BBG Stauden betankt wurde. Danach ging die Reise bis Koblenz weiter, wo wir am 11. August, in den späten Nachtstunden angekommen sind.

In Koblenz schlossen wir uns an drei weitere Lokomotiven mit GM-Motor an, die ebenfalls zum GM-Treffen von Odense unterwegs waren. Aus Belgien kam die AFB-GM Museumslok 202.020 der PFT (Patrimoine Ferroviaire Touristique) in einer älteren Bemalung der Belgischen Staatsbahn (SNCB), die zuvor als 1602 bei der Luxemburgischen Staatsbahn (CFL) in Betrieb war. Diese Verkleidung ist historisch daher begründet, daß die Maschine ursprünglich für die SNCB gebaut worden wäre, wurde aber nach einer Vereinbarung zwischen der SNCB und der CFL doch an Luxemburg geliefert. Luxemburg selbst war von zwei Lokomotiven vertreten: von der AFB-GM-Maschine 1604, die von 1604 Classics a.s.b.l. Luxembourg im Auftrag des Luxemburgischen Denkmalschutzamtes betreut wird, und von der BN-GM-Lok 1805, die mit einer Zugsicherung nach deutschen Vorschriften ausgerüstet ist und daher die Beförderung übernehmen konnte. Luxemburgs 1800-er Lokomotiven (gebaut vom AFB-Nachfolger La Brugeoise et Nivelles) haben trotz ihres kantigen Aussehens innerlich Vieles mit den klassischen NOHAB-Rundnasen gemeinsam und sind ungefähr so alt, wie die ungarischen M61. Der nunmehr vier Maschinen mit GM-Motor zählende Sonderzug wurde schließlich noch mit einem weiteren Fahrzeug ergänzt: eine überlebende V100/V110 aus ehemaligen Reichsbahn-Beständen, die jetzt der Norddeutschen Eisenbahngesellschaft (NEG), einem Tochterunternehmen der CFL gehört.

Am 12. August konnten wir keine lange Strecke hinterlegen; daran hat uns nach dem Verlassen des Rheintals das Wetter gehindert. In Hilden, in der Nähe von Köln, mußten wir die Reise bis zum nächsten Tag abbrechen, da der Verkehr wegen heftiger Stürme und Regenfälle zeitweilig eingestellt wurde.

Am nächsten Tag ging die Reise nach Niebüll weiter. Dieser Standort der NEG Niebüll GmbH ist auch daher berühmt, daß die von der DB betriebenen Autozüge nach Sylt – einer Insel, die vom Festland aus einzig mit der Bahn erreichbar ist – von hier abfahren.

Von Niebüll ging die Reise weiter nach Tønder, und zwar über eine Nebenbahnstrecke, die meist nur mit Schienenbussen und Triebzügen befahren wird. Die dafür enger gebauten Bahnsteige forderten besondere Vorsicht, daher konnten einige Haltestellen nur langsam durchfahren werden.

In Tønder erhielten die vier Loks noch einen weiteren Vorspann: das erste Exemplar der ebenfalls von NOHAB gebauten Baureihe MZ, die 1401. Von hier ging es nach Bramming, dann endlich nach Odense, wo wir mit einer Verspätung von mehreren Stunden, in den späten Abendstunden ankamen. Trotz der verzögerten Ankunft wurden wir am Bahnsteig von Vielen erwartet und bald hat sich auch herausgestellt, daß wir kaum Neues über unsere bisherige Reise berichten konnten – die Eisenbahnfreunde haben die Fahrt des Sonderzuges die ganze Zeit verfolgt und alle Informationen beispielhaft weitergegeben.

Auch die zwei Tage des GM-Treffens, 14. und 15. 8., haben ähnlich positive Eindrücke hinterlassen. Am Ereignis nahmen nahezu 20 Lokomotiven mit GM-Motor Teil – die Meisten waren NOHAB-Rundnasen mit 16- oder 12-Zylinder-Motor, und deren Verwandten, die von AFB gebaut wurden. Unter ihnen vertraten viele die zahlreichen (wenn leider auch nicht alle) Privatbahnen, bei denen NOHABs noch heute in Betrieb sind, und natürlich waren auch die Museums-Rundnasen Dänemarks (die gefeierte 1101 und die 1001) und andere Museumsloks zu sehen. Besonders den ungarischen Besuchern konnte auffallen, daß viele Maschinen des letztgenannten musealen Bestandes von zivilen Vereinen betreut werden! So ist ein norwegischer Verein, GM-Gruppen, Eigentümer der anderen gefeierten Maschine, der ehemaligen GM-Vorführlok G12 7707, die sich übrigens durch ihre schmale Vorbauten deutlich von den Rundnasen unterscheidet, und eher den „Kennedys“ der ehemaligen Jugoslawischen Staatsbahn ähnelt. Auch die schwedischen T41 sehen der G12 ähnlich aus; von dieser Baureihe nahmen gleich zwei Exemplare am Treffen Teil. Auch kantigere Loktypen ließen sich sehen: neben der früher erwähnten luxemburgischen 1805 konnte man zwei dänische MZ mit einem 16-645-Motor mit Turboaufladung sehen, sowie eine weitere MZ mit einem 20-Zylinder-Motor; alle drei wurden von NOHAB gebaut. Von Zeit zu Zeit gesellte sich auch eine von Henschel gebaute ME der DSB (ebenfalls mit einem 16-645-Motor) zu den ausgestellten Fahrzeugen.

Während der Veranstaltung wurden die Lokomotiven einzeln auf der Drehscheibe präsentiert, zwischen den Vorstellungen konnten sie im Lokschuppen stehend näher angeschaut werden. Die zum Treffen eingeladenen Maschinen beförderten auch Sonderzüge zwischen Odense und den benachbarten Stationen, so konnte auch die ungarische NOHAB mehrmals vor einer Garnitur dänischer Museumswagen gesehen werden. Überraschend viele Interessenten haben das Treffen besucht (insgesamt etwa sieben Tausend Besucher in zwei Tagen); vor dem Eingang des Museums stand immer eine Schlange beträchtlicher Länge. Was zumindest für uns sehr ins Auge fiel war, daß sich die Besucher sehr diszipliniert benommen haben: weder bei der Drehscheibe, noch am Bahnsteig der Sonderzüge haben sie die Fahrzeuge an der Bewegung gehindert, und auch beim Fotografieren nahmen die örtlichen Eisenbahnfreunde viel Rücksicht aufeinander.

Die Auslegung und die anspruchsvolle ästhetische und inhaltliche Erscheinung des Museums soll auch erwähnt werden. Neben den beispielhaft restaurierten Fahrzeugen, sorgfältig angefertigten Modellen und der sauberen Umgebung wurde auch für die Vorstellung des Bahnbetriebs und der dazu nötigen Geräte mit viel Mühe gesorgt. Einige Ausstellungsstücke und Videopräsentationen stellten bedeutende geschichtliche Details dar, so konnte man zum Beispiel sehen, wie die technische Dokumentation vor Bombenangriffen im Krieg geschützt wurde, oder wir konnten Einblicke in andere – zum Teil auch von der DSB betriebene – Fahrzeuge (wie Schiffs- oder Busverkehr) gewinnen.

Am 15. August fingen die Vorbereitungen zur Beendigung des Treffens an: einige Lokomotiven wurden schon auf die Heimreise geschickt. Die Maschinen schlossen sich einem planmäßigen Reisezug an, so daß sich eine äußerst ungewöhnliche Zusammenstellung ergab: Hinter dem planmäßigen Pendelzug mit Steuerwagen befand sich eine ME-Lokomotive, dahinter vier Teilnehmer der Veranstaltung, und noch weitere Museumswagen am Schluß des Zuges. Die Fahrzeuge aus Schweden und Norwegen begaben sich am 16. 8. mit einem nicht weniger spektakulären Zug auf die Heimreise, schließlich verließen Odense auch die ungarische und die belgische Lok, zusammen mit den zwei Gästen aus Luxemburg, und natürlich der MZ1401 als Vorspann. Zum letzteren Zug gesellte sich dann ab Kolding auch ein DSB-Meßwagen und ein Begleitwagen für das bedienende Personal.

Am 16. August endete die Rückreise in Niebüll. Hier konnten die Interessenten die drei Rundnasen (2761 017-9, 202.020 und 1604) wieder fotografieren, und zwar im Lokschuppen der NEG. Ein Regenbogen gesellte sich kurz zur Silhouette der ungarischen NOHAB – vielleicht auch als Trost für das verregnete Wetter. Am Ende des Tages wurde der DSB-Meßzug zusammen mit dem Wagen des ungarischen Begleitpersonals nach Dagebüll an die Küste gebracht. Am nächsten Tag wurden sie dann wieder nach Niebüll gebracht, wo sich die drei Rundnasen wieder dem Zug angeschlossen haben.

Koblenz wurde am Abend des 17. 8. erreicht; hier trennten wir uns von der luxemburgischen 1805 und der 1604, sowie der belgischen 202.020, die sich auf die Heimfahrt begaben. Die 2143 der Staudenbahn, die unseren Sonderzug bis zur österreichischen Grenze befördern sollte, kam nach dem Fahrplan erst am Abend des nächsten Tages, daher hatten wir am 18. 8. etwas Zeit, neben der Stadt Koblenz auch das dortige DB-Museum anzuschauen. Die Sammlung des Koblenzer Museums besteht hauptsächlich aus berühmten E-Loks (E60, E44, E16, E18, E41, eine 103, die gerade unterwegs war, und viele Andere), ergänzt mit einigen Wagen, einer kleinen Rangier-Diesellok und eine gerade auferstehende Dampflok. Zwar ist unseren Gastgebern nach die Koblenzer Ausstellung „im Schatten des Nürnberger Museums“ weniger großzügig mit Finanzen versorgt, doch auch hier war die sorgfältige Pflege den Fahrzeugen anzusehen, offensichtlich werden sie auch hier vom Personal wie ihr eigenes Hab und Gut behandelt.

Auch der Schienenverkehr von Heute kann in der Gegend von Koblenz den Freunden der GM-Loks interessant sein, zumal einige Privatbahnen hier neue Maschinen vom Typ JT42 betreiben. Mehrmals am Tag können diese Lokomotiven (ihrer ursprünglichen britischen Klassifikation nach auch oft „Class 66“ genannt) an der Spitze von Güterzügen beobachtet werden.

In der Nacht des 18. 8. wurde dann die kritischste Strecke hinterlegt. Tagsüber war der Himmel zwar noch heiter, doch am Abend konnte man schon die massiven Wolken sehen, deren Anrücken in der Nacht heftige und ausgiebige Regenfälle brachte. Auf einer Seite der 017 fiel der Inverter des Spitzenscheinwerfers dem Unwetter zum Opfer. Nach Augsburg kamen wir diesmal auf einen anderen Weg, und zwar über eine verwahrloste Gleisstrecke, deren wuchernde Vegetation der Lackierung der NOHAB und des Vorspanns bleibende Schäden zugesetzt hat. Ähnliche ungepflegte Gleise finden sich leider sehr häufig am – übrigens sehr dichten – deutschen Schienennetz. Dies fällt besonders im Vergleich mit Österreich ins Auge, wo eher Erneuerungs- und Neubauarbeiten die Regel waren; auch abgelegene Industriebahnen zeigten weniger die Spuren des Verfalls.

Am 19. August setzten wir die Reise in Österreich fort, wo die ungarische NOHAB wieder aus eigener Kraft verkehren konnte. Nach dem Überschreiten der ungarischen Grenze kam dann die Reise wieder ins Stocken; mal wegen Gleisbauarbeiten, mal ohne jeden sichtbaren Grund, obwohl man am Vorabend des Nationalfeiertages 20. 8. (und des langen Wochenendes danach) sicherlich mit regem Personenverkehr rechnen mußte. Es wurde schon langsam dunkel, als wir, nach mehreren Stunden Aufenthalt in Ferencváros, am Gleis 10 des Budapester Ostbahnhofs ankamen – so endete also die lange Reise der 2761 017-9, der ehemaligen M61-017.


 
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